Stand: 22.04.2021 16:28 Uhr
Nachhaltige Ernährung ist in diesem Jahr Schwerpunkt des Umwelt-Aktionstags „Earth Day“ in Deutschland. Ein Wohnprojekt in Rheinland-Pfalz zeigt, wie Eigenanbau dabei helfen kann.
Der „Weiselhof“ liegt auf einer Anhöhe, rund 15 Kilometer außerhalb von Mainz. Zwischen zwei Ortschaften gelegen, umgeben von Weinbergen und Feldern, mit weitem Blick in den Rheingau.
Anne Berk lebt seit zwei Jahren mit ihrem Mann Bernd und den Kindern Aaron, 3, und Caspar, 1, auf dem Hof. Aber auch mit 13 weiteren Bewohnern. Jede der sechs Parteien hat eine eigene Wohnung.  Und sie alle haben ein gemeinsames Ziel. „Wir wollen so umweltbewusst und autark wie möglich leben“, sagt Berk, „und wir glauben, dass man das gemeinsam besser schaffen kann als allein.“
Die Gemeinschaft baut ihr Obst und Gemüse selbst an. Zum Hof gehört fast ein Hektar Land. Jede Partei hat ihren eigenen Garten, dazu gibt es Flächen, die zusammen bewirtschaftet werden. Dort wachsen im Sommer Karotten, Kartoffeln, Lauch, Bohnen oder Salat. Das Gemüse gedeiht nach dem Prinzip der so genannten Permakultur, einer Form des Biolandbaus, die auf Biodiversität statt auf Monokulturen setzt. Auf jede Art des Düngens wird verzichtet.
Anne Berk schätzt am Leben auf dem „Weiselhof“, dass sie fast alles von dem, was auf ihrem Teller landet, selbst gepflanzt und gegossen hat. Und alles in Bio-Qualität. „Regionaler geht’s nicht“, sagt Berk. „Es ist toll, dass meine Kinder einfach ganz nebenbei sehen, wie Lauch oder Spinat eigentlich wachsen – und dann essen sie das Gemüse auch viel lieber.“
Heute gibt es bei Familie Berk Spiegeleier zum Mittagessen – und die kommen von den Hühnern, die auf dem „Weiselhof“ herumlaufen.  Außerdem gibt es drei Bienenstöcke, die eigenen Honig liefern, und Schafe. Die dienen in erster Linie als Rasenmäher – ihre Wolle wird aber auch als Dünger verwendet.
Anne Berk hat fast alles, was bei ihr und ihrer Familie auf dem Tisch landet, selbst gepflanzt. Bild: SWR Mainz
Was die Bewohner des „Weiselhofs“ an Lebensmitteln hinzu kaufen müssen, das besorgen sie in der Regel gemeinsam. Im Keller befindet sich ein großes Lager – mit Nudeln, Reis, Mehl, aber auch Waschmittel und Seife. Auch hier achtet die Gemeinschaft darauf, möglichst ökologische und regionale Produkte zu wählen.
„Das ist unser Weisel-Markt“, sagt Anne Berk. „Wir versuchen, bei den Basis-Lebensmitteln Großpackungen zu kaufen, um Verpackungsmüll zu vermeiden.“ Jeder, der etwas benötigt, kann sich im Keller bedienen, und schreibt auf, was er mitgenommen hat.
Agrarwissenschaftlerin Silke Steinbronn hat das Projekt gestartet. Bild: SWR Mainz
Gegründet haben das Projekt Thomas Hahner und seine Frau Silke Steinbronn. Schon lange hatten sie die Idee zu einem solchen Wohnprojekt. 2018 haben sie dann das Gelände zwischen Ingelheim und Wackernheim in Rheinhessen gekauft – und das ehemalige Gasthaus Stück für Stück ausgebaut und saniert. 
„Wir wollen, dass die Menschen, die hier leben, gute Lebensbedingungen haben und diese Bedingungen gleichzeitig auch gut für die Umwelt sind,“ beschreibt Steinbronn die gemeinsame Vision. Als promovierte Agrarwissenschaftlerin hat sie viel im Ausland gearbeitet und internationale Erfahrungen auf dem Gebiet der ökologischen Landwirtschaft gesammelt.
Bereits beim Umbau des Hofes legten sie Wert auf eine ökologische Sanierung mit nachhaltigen Materialien. Die Fassade ist mit Hanf gedämmt, das Dach mit Stroh.
„Durch diese Art der Öko-Sanierung verbrauchen wir heute nur noch die Hälfte der Energie, die vor der Sanierung hier verbraucht wurde“, sagt Steinbronn.
Die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach spendet so viel Energie, dass der Hof fast vollständig autark ist. „Wir haben so viel Strom, dass wir uns zu 99 Prozent selbst versorgen können.“ Warmes Wasser bekommt die Gemeinschaft über eine Solarthermie-Anlage, geheizt wird mit Holzpellets.
Mit dem „Weiselhof“ wollen die Bewohner zeigen, was beim Umweltschutz alles möglich ist. Bild: SWR Mainz
Der Strom reicht auch aus, um die zwei Elektro-Autos, die zum Hof gehören, zu laden. Teilen statt Besitzen, das ist den Bewohnern des „Weiselhofs“ besonders wichtig. Das gilt nicht nur für die Autos.
Im Hausflur gibt es einen Schrank mit Alltags-Dingen, die alle benutzen können: vom Bügeleisen über den Stabmixer bis zum Waffeleisen.
„Wir haben irgendwann festgestellt, dass wir alle viel zu viel Zeug haben, das wir nicht ständig brauchen“, erzählt Anne Berk. „Und da ist es schön, das zu teilen.“
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Dass sie mit ihrer Art zu leben gewissermaßen Exoten sind, ist den Bewohnern des „Weiselhofs“ bewusst. Und auch, dass ihr Lebensmodell nicht für jeden das Richtige ist. „Wir verurteilen niemanden, der so nicht leben kann oder will, das ist uns sehr wichtig“, sagt Berk. Die Gruppe wolle „Leuchtturm sein“, sagt sie, und „zeigen, was in Punkto Umweltschutz alles möglich ist.“
Und Steinbronn fügt an: Sie freue sich schon, wenn sich jemand einfach nur entscheide, seine Tomaten auf dem Balkon selbst zu ziehen, statt plastikverpackte ausländische Tomaten im Supermarkt zu kaufen: „Jeder noch so kleine Schritt ist gut für die Umwelt.“
Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 22. April 2021 um 22:15 Uhr.
Podcast 22.04.2021 – 08:46 Uhr
19.02.2021 – 04:12 Uhr
17.04.2021 – 11:19 Uhr
25.12.2020 – 18:19 Uhr

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