Wie hat die Corona-Pandemie unsere Haltung zum Klima- und Umweltschutz beeinflusst? Das hat das Umweltbundesamt (UBA)in einer Umfrage untersucht. Zu welchen Ergebnissen es dabei kam, berichtet die UBA-Expertin Angelika Gellrich im Interview.

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Das Umweltbewusstsein war zuletzt in den 1980er-Jahren auf einem ähnlich hohen Stand.

GettyImages, amriphoto
Seit 1996 befragt das Umweltbundesamt mit der sogenannten „Umweltbewusstseinsstudie“ alle zwei Jahre die Deutschen nach ihrem Umweltbewusstsein und Interesse an Umwelt- und Klimaschutz. Bei der jüngsten Umfrage Ende 2020 stand vor allem im Vordergrund, welchen Stellenwert der Umwelt- und Klimaschutz angesichts anderer aktueller Probleme durch die Corona-Pandemie noch hat. Über die ersten Ergebnisse aus der neuesten Studie berichtet nun Angelika Gellrich vom Umweltbundesamt.
Frau Gellrich, wie wichtig ist Umwelt- und Klimaschutz den Menschen in Zeiten vor Corona überhaupt noch?
Angelika Gellrich: „Das Jahr 2020 war stark durch die Corona-Pandemie geprägt – und trotzdem ist der Umwelt und Klimaschutz für die Menschen in Deutschland ein Top-Thema geblieben: 65 Prozent haben gesagt, für sie ist der Umwelt- und Klimaschutz sehr wichtig. Und wir haben auch speziell danach gefragt, ob sich die Bedeutung des Klimaschutzes während der Pandemie für die Menschen verändert hat. Ergebnis: Der Klimaschutz ist für 70 Prozent weiterhin genauso wichtig, für 16 Prozent sogar wichtiger geworden.“
Und welchen Stellenwert hat er im Vergleich zu anderen Themen, die die Menschen beschäftigen?
Gellrich: „Die Auswirkungen der Pandemie spiegeln sich natürlich auch in unseren Befragungsergebnissen wider: Als wichtigste Themen wurden das Bildungswesen und das Gesundheitssystem genannt. Das ist sehr nachvollziehbar, da diese Bereiche durch Corona vor enorme Herausforderungen gestellt worden sind. Dann auf dem dritten Platz kommt die soziale Gerechtigkeit, gefolgt vom Umwelt- und Klimaschutz und vom Verlauf und den Folgen der Corona-Pandemie. Allerdings: Den Spitzenplatz, den der Umwelt- und Klimaschutz im Jahr 2019 hatte, hat er im Zuge von Corona eingebüßt.“
Wie sah das in den Jahren zuvor aus, immerhin gibt’s die Umweltbewusstseinsstudie ja nun schon 25 Jahre?
Gellrich: „Gerade in den letzten drei Jahren ist der Umwelt- und Klimaschutz für die Menschen in Deutschland wieder wichtiger geworden. Das lag unter anderem an dem starken Engagement der „Fridays for Future“-Bewegung. Und so hoch, wie das jetzt aktuell zu beobachten ist, ist das Umweltbewusstsein zuletzt in den 1980er-Jahren gewesen. Wichtige Themen damals waren zum Beispiel das Waldsterben oder auch das Ozonloch. Dieses starke Umweltproblembewusstsein ist dann aber im Laufe der 1990er-Jahre deutlich zurückgegangen – unter anderem, weil für einige Probleme Lösungen gefunden werden konnten. Das hat sich jetzt allerdings mit der drohenden Klimakrise wieder deutlich verändert.“
Wie beurteilen die Menschen aktuell den Zustand der Umwelt?
Gellrich: „Deutlich schlechter als in den früheren Jahren. In der aktuellen Befragung halten 60 Prozent den Zustand der Umwelt in Deutschland für gut, 2016 waren es noch 75 Prozent. Und noch viel ernüchternder ist der globale Blick: Der weltweite Umwelt-Zustand wird nur von elf Prozent der Befragten positiv beurteilt. Die Menschen machen sich unter anderem wegen des Klimawandels Sorgen, dessen Folgen wir ja mittlerweile auch in Deutschland sehen. Zum Beispiel, wenn wir an die Dürre-Sommer der letzten Jahre denken.“
Wer wird für den Klimawandel verantwortlich gemacht und wem wird vorgeworfen, zu wenig dagegen zu unternehmen?
Gellrich: „Also drei Viertel der Befragten sind der Meinung, dass vor allem oder ausschließlich das Handeln der Menschen die Ursache für den Klimawandel ist, und nur ein Prozent der Befragten bezweifelt, dass es überhaupt einen Klimawandel gibt. Ja, aber wer wird nun konkret dafür verantwortlich gemacht? Wer tut genug für den Umwelt und Klimaschutz – und wer nicht? Da schneiden am schlechtesten Wirtschaft und Industrie ab. Da meinen 16 Prozent der Befragten, dass sie genug tun. Mit Blick auf die Bundesregierung meinten 26 Prozent der Befragten, dass die genug tut. Also mit dem Handeln der Regierung, mit der Politik ist man nicht wirklich zufrieden.“
Was wird da konkret erwartet?
Gellrich: „Die Menschen wünschen sich vor allem von der Politik ein entschlosseneres Handeln. Es scheint klar zu sein, dass der Umwelt- und Klimaschutz kein separater Politikbereich ist, sondern eigentlich überall mitgedacht werden muss. Also vor allem in den Bereichen Energie, Landwirtschaft, Stadtentwicklung und Verkehr. Und damit unsere Gesellschaft umwelt- und klimafreundlicher wird, sind die Befragten auch an vielen Stellen bereit, entsprechende politische Maßnahmen mitzutragen. Zum Beispiel spricht sich eine Mehrheit dafür aus, dass es für Flugbenzin keine Steuerbefreiung mehr geben sollte.“
Reden und Tun klaffen allerdings oft weit auseinander: Wie schätzen sich die Befragten denn hier selbst ein?
Gellrich: „Interessant ist, dass die Bürgerinnen und Bürger selbst mit ihrem Engagement nicht zufrieden sind. Nur 21 Prozent finden, dass sie genug tun. Und die Studie zeigt auch, dass es eine recht große Lücke gibt zwischen dem Umweltbewusstsein und dem eigenen Verhalten. Viele Menschen bezeichnen sich zwar selbst als umweltbewusst, handeln aber nicht immer so. Dabei könnte jeder schnell etwas ändern: Zum Beispiel mehr Gemüse und weniger tierische Produkte essen, Bahn- und Radfahren statt mit dem Auto, oder sich aktiv für den Umweltschutz engagieren.“
Quelle: Umweltbundesamt
 
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