Jennifer Sieglar erklärt im Fernsehen nicht nur die Welt, sie will sie auch gleich retten. Dafür legte die Moderatorin und Reporterin sogar ein umweltfreundliches Jahr ein. Drei Jahre später wirkt die Klimakämpferin immer noch entschlossen, auch wenn sie auf Fast Fashion und Flugreisen nicht gänzlich verzichten möchte.
Wer die gebürtige Frankfurterin aus dem HR-Fernsehen kennt, würde nicht erwarten, dass sie sich mit Seife statt Shampoo die immerzu top gestylten langen, blonden Haare wäscht, ihr eigenes Putzmittel mixt oder eine Po-Dusche als Klopapier verwendet. Doch genau das hat Jennifer Sieglar gemacht. „Ich bin schon diese klassische Taunus-Törtchen-Nummer“, lacht die Moderatorin, die sich zum Interview auf der Sitzbank niederlässt, ein Fuß lässig über dem Oberschenkel. „Ich bin in Bad Soden aufgewachsen, meine beste Freundin wohnte in einer Villa. Vor drei Jahren bin ich vom Nordend in den Vordertaunus gezogen, um mit Mann und Hund in einem Haus mit Garten und Teich zu leben – die Klischees treffen schon zu, nur Perlenohrringe trug ich noch nie“, lacht sie.
„Für den Klimawandel habe ich mich früher nicht wirklich interessiert“, gibt sie offenherzig zu. 2012 feierte sie ihren Durchbruch beim ZDF in der Kindernachrichtensendung „logo!“ als Nachfolgerin von Moderatorin und ihrer guter Freundin Jule Gölsdorf. Heute arbeitet sie außerdem für die Hessenschau und das ZDF-„Auslandsjournal“: berichtete in London, als für den Brexit abgestimmt wurde, und in Washington, als die Amerikaner Donald Trump zum Präsidenten wählten. „Das waren Gänsehautmomente. Klar, Umweltschutz war in meinem Job immer Thema – trotzdem habe ich mir meinen Kaffee im Wegwerfbecher gekauft“, sagt Sieglar. Bis eine Recherchereise nach Frankreich ihr Leben komplett auf den Kopf stellt.
Beim Weltklimagipfel 2015 in Paris trifft sie auf Politiker, die viele gute Klimaziele verabschieden. „Es herrschte eine euphorische Aufbruchstimmung. Doch daraus wurde schnell Ernüchterung. Niemand hatte einen konkreten Plan, um Katastrophen wie Hitzeperioden und Hochwasser zu verhindern. Das hat mich weniger als Journalistin, die regelmäßig über den Klimawandel berichtet, sondern vielmehr als Privatperson erschüttert. Da wusste ich: Wenn die Politik es nicht schafft, muss ich bei mir beginnen und mein Verhalten ändern!“, sagt Sieglar und wirkt dabei emotional, wie man sie aus ihren Nachrichtensendungen gar nicht kennt. Nur einmal brach sie vor der Kamera in Tränen aus: in einem Flüchtlingslager in Bangladesch, in das Hunderttausende Rohingya aus Myanmar geflohen waren, auch viele Kinder. „Als mir Mutter und Tochter gegenübersaßen und weinend von ihrer Flucht erzählten, konnte ich mich nicht zurückhalten, auch wenn Emotionen und Empathie in der Berichterstattung die Gemüter spalten.“

Ihren Ehemann und Kollegen Tim Schreder hat sie bei „logo!“ vor fünf Jahren kennen- und lieben gelerntIhren Ehemann und Kollegen Tim Schreder hat sie bei „logo!“ vor fünf Jahren kennen- und lieben gelernt
Ihren Ehemann und Kollegen Tim Schreder hat sie bei „logo!“ vor fünf Jahren kennen- und lieben gelernt

2018 beschließt Jennifer Sieglar ein umweltfreundliches Jahr einzulegen, stellt sich in zwölf Monaten zwölf Herausforderungen: vom nachhaltigen Reisen bis zu umweltverträglichem Lebensmitteleinkauf. Das bedeutet Weihnachtsbaum im Topf, Putzmittel ohne Mikroplastik und Toilettenbesuche ohne Papier. Wer ihre Grenzerfahrungen nachverfolgen will, kann in ihrem Spiegel-Bestseller „Umweltliebe“ nachlesen. „Auf das Auto zu verzichten war echt der Horror. Und ich war verzweifelt, weil ich eine lange Zeit gebraucht habe, bis ich eine gute Wimperntusche ohne Palmöl finden konnte.“ Dass sie dennoch mit Selbstvertrauen und Beharrlichkeit ihre Herausforderungen meisterte, verwundert nicht: Dreimal musste sie am „logo!“-Casting teilnehmen, bis sie die Stelle als Moderatorin bekam. „Mein Credo: Niemals aufgeben!“ Sie strahlt.

70 Prozent aller Veränderungen, schätzt Sieglar, kann sie auch heute in ihren Alltag integrieren. „Thema Ernährung zum Beispiel: Saisonales Obst und Gemüse gibt’s nur noch in einer Biokiste von den Biohöfen aus der Umgebung.“ Nicht nur schmackhaft, sondern auch lehrreich: „Nachdem ich einen Rhabarberkuchen gebacken habe, der nicht sauer wurde, weiß ich jetzt auch, dass Mangold von der Form aussieht wie Rhabarber“, lacht Sieglar. „Ich habe zwar meine eigene kleine Kräuterecke, aber das hat mir doch wieder einmal bewiesen, dass mein Platz im Garten auf dem Liegestuhl in der Sonne und nicht mit Hacke und Schere im Beet ist!“
Das Thema Kleidung ist für Sieglar eine Leidenschaft, die Leiden schafft. Sie hält sich die Hand vors Gesicht und deutet auf ihren Sneaker mit den drei Streifen: „Die sind garantiert nicht nachhaltig produziert. Ich kaufe viel Second Hand – aber ich liebe Fashion und ab und zu gönne ich mir was Neues. Das ist dann halt so.“ Auch Flugreisen sind für sie nicht völlig ausgeschlossen: „Ich würde gerne mal nach Hawaii, das ist auch in Ordnung. Dafür fahre ich Kurzstrecken mit der Bahn, habe eine Photovoltaikanlage auf dem Dach, mit der ich mein E-Auto laden kann. Durch diese Maßnahmen bin ich nicht glücklicher, habe aber ein besseres Gewissen. Den perfekten Menschen gibt’s nicht. Aber wenn viele ein bisschen was tun, kann das in der Summe Großes bewirken!“
Seit ein paar Jahren hat sie auf Social Media Mikroplastik den Kampf angesagt. Ob Südafrika, Mallorca oder Sankt Peter-Ording: An jedem Strand, den sie bereist, sammelt sie Müll und postet unter dem Hashtag #2minutebeachclean! ein Bild davon – und animiert so andere Menschen, ihr nachzueifern. „Ein tolles Gefühl, wenn meine Follower aus dem Urlaub ein Foto schicken, auf dem sie Müll sammeln. Das ist das Coolste, wenn du merkst, dass du mit deinem Schaffen etwas erreichst!“ Eine Motivation, die sich in ihrer Berufswahl bestätigt.

Plastikmüll aufheben und entsorgen- Mit dem Hashtag #2minutebeachclean kämpft Sieglar auf Social Media gegen UmweltverschmutzungPlastikmüll aufheben und entsorgen- Mit dem Hashtag #2minutebeachclean kämpft Sieglar auf Social Media gegen Umweltverschmutzung
Plastikmüll aufheben und entsorgen- Mit dem Hashtag #2minutebeachclean kämpft Sieglar auf Social Media gegen Umweltverschmutzung

Ihr neuestes Projekt: Der „logo! news:date“-Youtube-Kanal, auf dem sie jede Woche mit Ehemann und Kollege Tim Schreder, den sie vor fünf Jahren beim ZDF kennengelernt und vor drei Jahren auf Sizilien geheiratet hat, ein aktuelles Thema bespricht. „Mit Pro- und Contra-Argumenten diskutieren wir hart und faktenbasiert, aber mit Respekt. Man darf seine Meinung nach guten Argumenten auch ändern.“ Gedreht wird auf „dem Boden der Tatsachen: unserem Wohnzimmerteppich!“ Wer welche Seite einnehmen darf, entscheidet Maja. Die Jagdhündin aus dem Tierheim ist 2018 eingezogen. „Wir werfen ein Stofftier und wem sie es zurückbringt, darf aussuchen, ob er Pro oder Contra macht. Bisher ist sie lieber zu mir gekommen“, strahlt Sieglar und verrät: „Tim ist heute schon eine extra große Runde mit ihr spazieren gegangen, weil morgen die nächste Entscheidung ansteht!“

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Ich versteh die Welt nicht mehr: Die wichtigsten Nachrichten verständlich erklärtIch versteh die Welt nicht mehr: Die wichtigsten Nachrichten verständlich erklärt

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Ich versteh die Welt nicht mehr: Die wichtigsten Nachrichten verständlich erklärt

  • Tim Schreder (Author) – Tim Schreder, Jennifer Sieglar (Narrators)

Ein perfekter Tag im Leben von Jennifer Sieglar? „Da steht ein fettes ‚ZF‘ im Kalender – ein Tag, an dem mein Mann und ich zusammen freihaben. Ausschlafen, Eiskaffee am Morgen und eine gute Zeitung oder Zeitschrift.“ Sobald wie möglich soll eine Gartenparty steigen, um Tims 30. Geburtstag nachzuholen: „Zu der wollen wir random jeden einladen, den wir kennen“, lacht Sieglar und strahlt: „Wollt ihr kommen?“
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