Sein letzter Sieg datiert von 2019, sein letzter Titel von 2013, die Zukunft ist unklar. Sebastian Vettel wird wahrscheinlich nicht mehr Weltmeister, aber immer mehr zu einem, der sein sportliches Vermächtnis auch auf andere Weise begründet: abseits der Strecke. Über den Leon Goretzka der Formel 1.
Es hat nichts genützt am Ende, trotz aller Proteste und Berufungen. Sebastian Vettel erhielt seinen zweiten Platz von Ungarn nicht zurück, zu wenig Sprit im Tank, keine Gnade bei den Formel-1-Richtern. Mit 30 WM-Punkten ging Vettel als Zwölfter in die Sommerpause, karges Mittelmaß, näher unten als oben. "Wir hatten uns mehr erwartet", sagt er vor dem Großen Preis von Belgien in dieser Woche (das Rennwochenende im Live-Ticker).
Ein fünfter Rang in Monaco und ein überraschender, von den Umständen begünstiger zweiter in Baku waren Ausreißer, die Vettels frühere Karriere als Standards begriff. 53 Rennen hat der Heppenheimer in der Motorsport-Königsklasse gewonnen, historisch sind bloß die siebenmaligen Weltmeister Lewis Hamilton (aktuell 99) und Michael Schumacher (91) erfolgreicher.
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Vettel errang vier Titel, von 2010 bis 2013, in einer anderen Generation. Damals war er ein frecher Lausbub, der im Red Bull zum Dauersieger aufstieg, ständig zückte er seinen Vettel-Finger, den manche recht albern fanden, der aber als Markenkern des Jünglings diente. Vettel war kindlich und ein bisschen kindisch, und wenn er nicht gewann, bockte er oft. Schmolllippe.
Obwohl eng mit Schumacher befreundet und von diesem anfangs protegiert, schaffte es Vettel nie, die sogenannte deutsche Öffentlichkeit in ähnlicher Weise für sich einzunehmen wie der Meister. Okay, an diesem illusorischen Maßstab würde jeder scheitern, der es darauf anlegt, es ist das Schumacherbeckergraf-Phänomen: Sie waren halt die Ersten.
Dennoch hatte sich in seinen Triumphjahren das Gefühl etabliert, dass irgendetwas fehlt. Etwas Größeres als Vettel-Siege und Vettel-Titel und Vettel-Finger. Etwas Substantielles.

Der heutige Vettel, 34-jährig, hat mit seinem Lausbuben-Ich kaum etwas gemein. Zum letzten Mal kämpfte er 2018 um die WM, sein letzter Sieg stammt aus 2019, vor dieser Saison wechselte er nach sechs Ferrari-Jahren zu Aston Martin, um, ja doch, als Fernziel nochmal Champion zu werden.
Ehrlich gesagt: Das wird höchstwahrscheinlich nichts. Zugleich mutiert der dreifache Familienvater gerade zu einem, dessen Formel-1-Vermächtnis über die Rennbahn hinausreicht – was umgekehrt einen späten Sympathieschub auszulösen scheint, sogar in Deutschland.
Mit Glanzleistungen im Auto hat das weniger zu tun. Dafür gelingt es Vettel inzwischen, sich ein gesellschaftlich relevanteres Profil anzueignen und dadurch seine Persönlichkeitsentwicklung zu bereichern. Ohne Kalkül. Der Mann hat viermal die Weltmeisterschaft gewonnen und nicht mal Social Media. Interesse an Inszenierung der eigenen Person folglich: gleich null.
Speziell nach der Ferrari-Abnabelung reüssiert Vettel mit Gesten, die Prinzipien entspringen. In Wort und Tat. Für viele Formel-1-Piloten beschränkt sich der Gedankenhorizont aufs Herunterklappen des Visiers; bei Vettel sind die Leitplanken jetzt weiter vom Streckenrand entfernt, er scheut sich nicht, Position zu beziehen, notfalls mit qualmenden Reifen als unbequeme Wahrheiten, die alles sind außer politisch korrekt.
Vor dem Ungarn-Rennen keilte er angesichts der eingeschränkten Rechte für Homosexuelle gegen die Regierung von Viktor Orban. "Peinlich für ein Land, das in der EU ist", nannte Vettel das Referendum, das die LBGTQ+-Bewegung torpedierte. Es sei unbegreiflich, "dass es damit immer noch so viele Probleme gibt und Leute, die sich daran aufreiben. Da ist die Diagnose, dass wir alle irgendwann den Planeten verlassen müssen, wahrscheinlich eine gute."
Zur Demonstration trug Vettel weiße Sneaker mit Regenbogenmuster, auch Helm und Mundschutz waren entsprechend gefärbt. Für sein T-Shirt in Regenbogenfarben samt Aufdruck "Same Love" kassierte er eine offizielle Verwarnung durch die Sportkommissare – Fehler im Protokoll.
Bemerkenswert, wie markig-souverän Vettel bei Sky reagierte:

Vor dem Rennen stehen wir alle auf dem Teppich und haben diese tollen Slogans. Trotzdem scheint das für manche ein Problem darzustellen. Das verstehe ich nicht. Ich habe das Shirt bei der Hymne angelassen, um die Leute in Land zu unterstützen, die leiden. Manche stellen Gesetze auf, aber sie schützen damit die Kinder nicht, sondern bedrohen eher die Art und Weise, wie sie aufwachsen. Dafür nehme ich jede Strafe in Kauf, die sie mir geben. Sie können mit mir machen, was sie wollen. Mir egal. Ich würde es wieder tun.
Hamilton, der Formel-1-Vorreiter in soziokulturellen Angelegenheiten, würdigte Vettels Haltung als "wundervoll" und "wichtig". Diversität wie Inklusivität sollten gefördert werden, "dass er sich dafür einsetzt, macht mich stolz".
Gewissermaßen geriert sich Vettel in diesen Wochen als Leon Goretzka der Formel 1. Der Fußball-Nationalspieler hat seinen Namen als mündiger, geschichtlich interessierter und sozial engagierter Sportler spektakulär geschliffen – nicht jedoch zum Selbstzweck.
Im Europameisterschaftsspiel formte Goretzka just gegen Orbans Ungarn mit den Händen ein Herz, zuvor ließ er sich mit "Gegen Nazis"-Flagge ablichten, kanzelte die rechtsextreme AfD als "Schande für Deutschland" ab und ist Mitgründer der Initiative "We kick Corona", die über fünf Millionen Euro einbrachte. Wenn Goretzka spricht, hört das Land zu.

„Die Grüne Macht“ ist voll aufschlussreicher und zudem höchst unterhaltsamer Charakterstudien der wichtigsten Führungspersonen. (Anzeige)
Übrigens hörte das Land auch bei Vettel zu, als dieser via "Spiegel" ankündigte, bei der Bundestagswahl für die Grünen zu votieren. Ein Riesen-Aufschrei. Weil dem Motorsport-Multimillionär natürlich Heuchelei unterstellt wurde: Schaut her, da verpestet einer seit 15 Jahren die Umwelt, indem er durch die Welt jettet, um sinnlos im Kreis zu fahren, und dann erzählt er uns etwas über Umweltschutz! Und dann lebt er noch in der Schweiz und zahlt hier keine Steuern…!!!
Schon ganz praktisch, dass Vettel die Pamphlete der Social-Media-Ankläger mangels Social Media geflissentlich ignorierte. Unabhängig vom Standpunkt pro Grün war der Umstand, sich und seine Ansichten ohne Not unters Brennglas zu rücken, zumindest ein ungewöhnlicher. Vettels Statements basierten wiewohl auf der Wichtigkeit, die er seiner grundsätzlichen Botschaft beimaß: "Umweltschutz geht uns alle an."
Und der Heuchelei-Vorwurf? "Einerseits belaste ich durch meine Arbeit die Umwelt, andererseits propagiere ich Dinge, um die Umwelt zu schützen. Also habe ich zunächst meine Gewohnheiten geändert, etwa die Vielfliegerei, und dann habe ich darüber geredet", sagte Vettel, der keinen Privatjet hat, wenn möglich per Zug oder Auto zu den Rennen reist, daheim eine Photovoltaikanlage besitzt, Plastik beim Einkaufen vermeidet, Trinkwasser aus der Leitung konsumiert und privat nur noch elektrisch fährt. Klimaaktivistin Greta Thunberg titulierte er als "Inspiration".
Im Juli zeigten Fotos, wie Vettel nach dem Silverstone-Rennen den Müll von Tribünen aufkehrte. Ralf Schumacher meinte, also, Respekt, aber vielleicht solle er lieber Punkte statt Müll sammeln. Ohnehin ist der Ex-Rennfahrer einer derjenigen, die Vettels Einsatzgebiete jenseits des Aston-Martin-Cockpits nicht blind beklatschen. Fehlender Fokus? Bereits 2020, in der coronabedingten Renn-Pause, absolvierte Vettel ein Praktikum auf einem Bio-Bauernhof und wurde Botschafter der Initiative "BioBienenApfel" zur Schaffung von Lebensraum von nützlichen Insekten.
Indes will die Formel 1 bis 2030 tatsächlich CO2-neutral sein, Kampagnen für Existenzsicherung und Daseinsberechtigung sind initiiert. Allerdings monierte Vettel, dass der neue Kraftstoff, der aus nachhaltigen Rohstoffen erzeugt werden soll, frühestens mit dem Motorenreglement 2025 oder 2026 eingeführt wird. Zu spät! "Das finde ich sehr, sehr enttäuschend."
Der Sport, den er liebt, und die Überzeugungen, die er vertritt: Für Sebastian Vettel bleibt es ein ewiger Ritt im Kurvengeschlängel. Die Boxenstopps häufen sich.
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Freitag, 27.08.2021 | 21:33 | Stefan Müller
Sie verursachen in einem Rennen mehr CO2 als wenn ich mit meinem Auto 15000 km im Jahr fahre. Sie fliegen weltweit zu 19 Rennen und dazwischen mit Sicherheit oft genug ins Hauptquartier und auch zurück in die Schweiz ! Ich bin mir sicher dass Sie auf 100.000 Flugmeilen im Jahr kommen ! Und dann wollen Sie uns wirklich ernsthaft etwas von Umweltschutz und Nachhaltigkeit erzählen ? Einfach nur lachhaft und völlig an der Realität vorbei ! Wachen Sie bitte auf ! Und wenn Sie in der Realität angekommen sind, ziehen Sie wieder nach D und zahlen Sie hier mal Ihre Steuern und hören Sie auf uns zu erzählen wie wir zu leben haben. Wenn ich wie Sie 20 Mio im Jahr verdienen würde könnte es mir auch wurscht sein wenn der Liter Sprit 2,50 Euro kostet, die kw/h Strom 1 Euro und der Liter Milch 2 Euro !
Freitag, 27.08.2021 | 15:13 | Heinz Kolbe
Solches Verhalten ist so mutig wie eine Pro-Putindemo in Moskau oder früher eine Sozialismusdemo in der DDR. Zu soviel braver political-correctness Demonstration kommt man wohl nur wenn die Karriere am Ende ist. Für einen Sportler ist Mutlosigkeit kein Aushängeschild.
Freitag, 27.08.2021 | 11:02 | Arnold Müller
zu Politik äußern. Er darf seine Meinung haben aber für sich behalten. Wenn nicht sollte er seinen Beruf aufgeben und in die Politik wechseln. Denn viel Zuviel nehmen solche als Zugpferd um ihre z.T. krude Ideen umzusetzen. Und ob jeder Promi genau weis vor welchen Karren er gespannt wird, bezweifele ich. Denn schadet es seiner Karriere, dann hat derjenige so etwas nie gesagt oder es wurde aus dem Zusammenhang rausgerissen. Nicht jeder hat soviel Geld um Organisationen zu unterstützen die Pläne haben, die sich Normalo nicht leisten kann. Wie schon oft gesagt, nicht jeder kann sich eine bestimmte Politik leisten. Auch das ganze Geschwafel mit Unterstützung der Schwachen, kann man abhaken. Bis das was ankommt, ist es für viele zu spät. Auch das Geplänkel mit unbürokratisch kann man vergessen
Freitag, 27.08.2021 | 09:22 | kurt engel
auch einer der nicht erkennt, daß seine Zeit vorbei ist. Und im übrigen brauche ich keine sog. Stars, um mir eine Meinung zu bilden. Die haben doch nix mehr mit dem täglichen Leben zu tun. Also Maul halen!
Freitag, 27.08.2021 | 09:17 | Hans G. KAISER
sollte der gute Mann aber sofort auf einen von den Grünen gesponserten Lastenesel umsteigen und seine Edelkarossen alle verschrotten. Er wäre sicher auch glaubhafter, wenn er von seiner Luxusvilla im Steuerparadies in der Schweiz sofort wieder nach D in eine kleine Wohnung (so wie viele hier leben) zieht und seine bisher "gesparten" Steuern umgehend sozial Hilfsbedürftigen zukommen lässt! Wetten, dass sein "Engagement" dann doch nicht so weit reicht.
Freitag, 27.08.2021 | 09:11 | Weiß Peter
Wieviel CO2 kostet das verschiffen der ganzen Crew von A nach B? Da reicht wahrscheinlich ein Flugzeug nicht. Dazu noch mehrere LKWs.Alles Diesel. Er soll sich dafür Einsätzen die Formel 1 und ähnliche zu verbitten was ich genauso blöd finden würde. Er als Person ist eine den Grössten Umweltverschmutzer die es gibt, bekommt Millionen fürs hinterher fahren. Wenn man schon mit Leistungen nicht glänzt versucht man auf andere Weise in die Schlagzeile zu kommen.
Freitag, 27.08.2021 | 08:59 | Andreas Fricke  | 1 Antwort
Ich absolut kein großer Formel 1 Fan,zu langweilig für jemanden wie mich,der mit Autos nix am Hut hat.Aber ich finde es stark,das sich Sebastian Vettel so einzubringen versucht.Arm,ihm da jetzt gleich Heuchelei vorzuwerfen,er ist intelligent genug um zu wissen,das es so einfach nicht ist durch seinen Sport,der nicht gerade für Umweltschutz steht.Jeder,der etwas für den Klimaschutz zu tun bereit ist bringt mehr als die ganzen Nörgler und Realitätsverweigerer.Und wer weiß, vielleicht hat er ja doch den Mut, auch in Katar oder China Zeichen zu setzen.Ich traue ihm das zu.
Freitag, 27.08.2021 | 18:33 | Theo Riegel
Anhand ihres Kommentars scheinen Sie der Anführer dieser Gruppierung zu sein! Wirklich, nur noch Träumer und Fantasten….
Freitag, 27.08.2021 | 08:58 | Vanessa Schmidt
Das ist alles reines Marketing um Sponsoren bei Laune zu halten. Wenn man Millionen in der Hinterhand hat, tut es auch nicht weh, wenn später ein Liter Benzin 10€ kostet. Da kann man sich durchaus für Umwelt und Klimaschutz zum Erhalt der eigenen Marke einsetzen. Das gibt ja auch wieder Geld. Bluten müssen später zum Glück ja andere.
Freitag, 27.08.2021 | 08:30 | Juergen Zeidner
Vettel wandelt sich zu einem "Grotzka". Er hinterlässt keinen bleibenden Eindruck als F1 Weltmeister sondern als eine komische Figur, die nach Aufmerksamkeit giert.
Freitag, 27.08.2021 | 07:29 | Edith Lupperger
Der Gute fährt seit zig Jahren im Kreis, wohnt in der steuersparenden Schweiz und möchte uns die Welt erklären. Genau mein Humor, fährt mit dem Auto oder Zug zu den Formel ! Rennen – ich lach mich gleich kaputt – zu den Rennen in Doha, Japan, Bahrein und China? Ach nee – und wie das das mit dem Eintritt für Menschenrechte in den Emiraten und China? Läuft er da auch mit Regenbogen-Shirt rum? Warum gibt man solchen Menschen überhaupt eine Bühne? Unfassbar
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